TransparenzoffensiveDer Messenger Signal kostet bald 50 Millionen Dollar im Jahr

Zahlen zu den Betriebskosten großer Messenger oder sozialer Netzwerke sind rar. Die Signal-Stiftung gewährt nun erstmals einen Einblick in die laufenden Kosten – und zeigt auf, wie die Nutzer:innen bei der Finanzierung des gleichnamigen Messengers eine größere Rolle spielen könnten.

Meredith Whittaker
Signal-Chefin Meredith Whittaker gibt Einblick in die Zahlen des beliebten Messengers. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Der nicht-kommerzielle Messenger Signal veröffentlicht erstmals Zahlen darüber, wie viel der jährliche Betrieb seines Dienstes kostet. Signal hat sich in den vergangenen zehn Jahren vom nerdigen Werkzeug zum Mainstream-Messenger entwickelt. Die Nutzungszahlen werden weltweit auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. In Deutschland, wo der Datenschutz gesellschaftlich eine vergleichsweise große Rolle spielt, soll der Marktanteil bei etwa 14 Prozent liegen.

Laut einem Blogbeitrag von Signal wird der Betrieb des Messengers im Jahr 2025 schätzungsweise etwa 50 Millionen US-Dollar kosten. Schon in diesem Jahr kostet allein die technische Infrastruktur rund 14 Millionen US-Dollar. Sie verteilen sich auf:

  • (Zwischen-)Speicher: 1,3 Millionen Dollar pro Jahr,
  • Server: 2,9 Millionen Dollar pro Jahr,
  • Registrierungsgebühren: 6 Millionen Dollar pro Jahr,
  • Gesamtbandbreite: 2,8 Millionen Dollar pro Jahr,
  • Zusätzliche Dienste: 700.000 Dollar pro Jahr.

Den größten Posten bei der technischen Infrastruktur machen die Bestätigung-SMS aus, die neu registrierte Nutzer:innen bekommen. Signal begründet die Abfrage von Telefonnummern bei der Registrierung damit, dass der Dienst so Spam-Accounts abwehre. Diese Kosten werden laut Signal in Zukunft voraussichtlich noch steigen, da die Telefonanbieter den Tod des veralteten SMS-Dienstes mit höheren Kosten kompensieren würden.

Für einen weiteren Teil der Ausgaben seien die hohen Sicherheitsanforderungen verantwortlich. So leitet Signal vollständig verschlüsselte Anrufe von Personen, die nicht in den Kontakten der Nutzer:innen sind, immer über einen Relay-Server, der die IP-Adressinformationen verschleiert. Im Blogbeitrag heißt es dazu: „Beim derzeitigen Verkehrsaufkommen beläuft sich die für die Unterstützung von Signal-Sprach- und Videoanrufen benötigte abgehende Bandbreite auf etwa 20 Petabyte pro Jahr (das sind 20 Millionen Gigabyte). Das allein verursacht für die Anrufe Bandbreitengebühren in Höhe von rund 1,7 Millionen US-Dollar pro Jahr.“

Hinzu kommen im laufenden Jahr Personalkosten in Höhe von etwa 19 Millionen Dollar. Signal beschäftigt mittlerweile rund 50 Mitarbeiter:innen in Vollzeit – eine im Branchenvergleich „schockierend kleine“ Zahl, so die Stiftung.

Signal will kleine Einzelspenden ausbauen

Gegenüber Wired begründet die Präsidentin der gemeinnützigen Signal-Stiftung, Meredith Whittaker, die Offenlegung der Kosten. Demnach sollen die Zahlen transparent darlegen, wie „überraschend teuer“ der Betrieb der Signal-Infrastruktur ist. Die Stiftung will damit auch den Blick auf das „Geschäftsmodell der Überwachung“ der anderen Messenger lenken.

Signal wurde ursprünglich mit Geldern aus dem Open Technology Fund des US-Außenministeriums gegründet, ist aber bereits seit Langem auf andere Finanzierungen angewiesen. Unter anderem gab WhatsApp-Gründer Brian Acton der 2018 gegründeten Signal Foundation rund 50 Millionen US-Dollar.

Seine Finanzspritze ließ sich Acton mit Einfluss entgelten. Laut einem Bericht von Spektrum.de wird die im Silicon Valley ansässige Signal-Stiftung von einem fünfköpfigen Vorstand geleitet, deren Vorsitzende Meredith Whittaker ist. Der Vorstand ist aber nicht das höchste Gremium in der Organisation. „Eine Ebene darüber gibt es noch die Mitgliederversammlung der Foundation. Und diese besteht aus einer einzigen Person: Brian Acton. Der hat laut Form990-Bericht für 2021 das alleinige Recht, den Vorstand (das »Board of Directors«) zu wählen“, heißt es in dem Spektrum-Artikel.

Neben Acton tragen laut Wired auch andere Großspender dazu bei, die Kosten der Stiftung zu decken. So habe Twitter-Mitbegründer Jack Dorsey die Summe von 1 Million Dollar pro Jahr zugesagt. Andere Förderer:innen, deren Namen Whittaker nicht nennen will, spenden ähnlich hohe Beiträge.

In Zukunft will Signal mehr auf Einzelspenden von Signal-Nutzer:innen setzen. Diese können seit März 2021 in der Messenger-App direkt an die Stiftung spenden. Im Gegenzug erhalten sie in ihrem Profilbild ein kleines Badge. Laut Signal decken diese Einzelspenden aktuell 25 Prozent der Betriebskosten. Im vergangenen Jahr waren es noch 18 Prozent. Um künftig nicht auf Großspender:innen angewiesen zu sein, müssten die Einzelspenden der Nutzer:innen laut Whittaker aber noch deutlich zunehmen.

Update 15:02 Uhr:
Wir haben eine neuere Erhebung bezüglich der Nutzung von Signal in Deutschland verlinkt. Statt der in der alten Version genannten 8 Prozent Marktanteil, sind es 14 Prozent.

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19 Ergänzungen

  1. „Diese können seit März 2012 in der Messenger-App direkt an die Stiftung spenden.“
    Ist hier ein zahlen Dreher? Das sollte wahrscheinlich 2021 sein.

  2. Meine Telefonnummer bekommt Signal nicht. Basta!
    Meine Spende könnte Signal bekommen, wenn der Zwang mit der Telefonnummer endlich ein Ende fände.

      1. „Anonymous: WA und Co. haben Ihre Telefonnummer wahrscheinlich schon also macht es keinen Unterschied ob Signal die jetzt auch hat.“

        Das muss nicht zwangsläufig so sein.
        Es setzt voraus, dass „Der heiße Tanz um die Telefonnummer“ leichtsinnigerweise WA, FB, INSTA, GOOGLE (samt dortigem Konto) oder dergleichen nutzt und/oder seine Nummer dafür oder irgendwo anders angegeben hat.

        Man kann nur empfehlen, wenn jemand die genannten Datenungeheuer hinter sich lassen und zu Signal will, für die Anmeldung eine neue, anonyme oder sogar eine Wegwerfnummer nimmt und dies NUR für diesen Zweck.

        1. Ein Beispiel, dass es technisch auch ohne Telefonnummer geht:

          Zitat:
          Signal requires users to disclose personally identifiable information. Threema, on the other hand, can be used anonymously: Users don’t have to provide their phone number or email address. The fact that Signal, being a US-based IT service provider, is subject to the CLOUD Act only makes this privacy deficit worse.

          Quelle:https://threema.ch/en/messenger-comparison

  3. Signal vergleicht Listen von Telefonnummern, um anzeigen zu können, wer ebenfalls Signal hat. Das ist bequem, aber problematisch. Obwohl die Nummern in einem besonders geschützten Bereich des Servers miteinander verglichen werden und dort nicht im Klartext vorliegen, bleibt ein Restrisiko. Wenn Sie bereit sind, die Telefonnummer Ihrer Kontakte bei der ersten Nachricht von Hand einzugeben, brauchen Sie den Zugriff auf Ihre Kontaktliste nicht zu erlauben.

    Signal ist immer an eine Telefonnummer geknüpft, aber nicht notwendig an die eigene Mobilnummer. Auf dem Rechner funktioniert Signal bislang nur, wenn die Smartphoneapp oder der (nicht offizielle) Signal-Cli installiert ist.

    Signal hat keine offenen Schnittstellen. Die gesamte Kommunikation läuft über die Infrastruktur von Amazon, Cloudflare, Google und Microsoft. Von freier, unabhängiger Kommunikation kann also keine Rede sein.

    Die Signal Messenger LLC hat ihren Firmensitz in den USA und unterliegt daher dem PATRIOT Act und dem CLOUD Act. Auf der Grundlage dieser Gesetze können Unternehmen gezwungen werden, Daten an Geheimdienste zu geben.

    https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung/messenger

      1. Es geht um Kundendaten, also um die Telefonnummer. Die ist in den Datenbanken der Firma unverschlüsselt zu finden.
        Und es geht um Metadaten, die nicht verschlüsselt sind.
        Es geht um das abgreifen von Adresslisten von Kunden.
        Der Message-Content ist verschlüsselt. Damit wird geworben, der interessante Rest aber wird verschwiegen bzw. in verschwurbelten AGBs vergraben.

  4. Egal wie krass gut alles verschlüsselt ist: Es nervt, in größere Signal-Gruppen beizutreten wo Haufen Leute drin sind die man nicht kennt, die aber dann plötzlich die Telefonnummer von jedem haben. Muss nicht sein…

    Dass Signal ohne Smartphone nicht funktioniert, ist mindestens ebenso wunderlich. Als Notlösung muss man sich wohl eine weitere Mobilfunknummer (ggf. ohne SIM-Karte) beschaffen, die man nur für Signal nutzt. Klingt aber nicht gerade nach der angeblich angestrebten hohen usability…
    Ja, „offene“ Systeme wie Email, XMPP & Co haben ein Spam-Problem, aber das kann man auch kontrolliert bekommen, sehe ich nicht als Totschlagargument.

    Auch was die Organisationsstruktur um Brian Acton und die Großspenden betrifft, wird recht deutlich dass dezentrale Messenger da einen starken Vorteil haben, bezogen auf Teilhabe der Nutzenden und Unabhängigkeit. Und überhaupt: Angenommen Chatkontrolle kommt doch noch: Dann wird Signal aufgrund der Zentralität zu allerhand gezwungen werden können. Dass Signal Open-Source ist, hilft da nicht wirklich, da selber aufgesetzte Signal-Instanzen nicht mit der offiziellen Instanz verknüpfbar sind. So etwas kann bei dezentralen Netzwerken nicht wirklich passieren, jedenfalls nicht so direkt. Wenn ich daran denke, wie viel besser Matrix und darauf aufbauende Apps sein könnten, wenn Acton & Co ihre Millionen mal darein stecken würden anstatt apple-like zwar recht sichere, aber letztlich zentralistische und begrenzt demokratische Organisationen aufzubauen. Die am Ende so sicher auch gar nicht sind, weil Zentralität zwangsläufig weniger Schutz vor gesetzgeberischer Übergriffigkeit bietet.

    1. Die Nutzung von reinen Nutzernamen um die Rufnummer weiter zu schützen ist schon in Arbeit.

      Da man die Rufnummer als Spam Schutz scheinbar weiterhin benötigt können wir die 6MIO SMS Gebühren noch nicht einsparen, was ich schade finde. Könnte man ja optional machen.

    2. > „offene“ Systeme wie Email, XMPP & Co haben ein Spam-Problem

      Ich benutze seit ca. 7 Jahren XMPP und habe noch nie von Fremden eine Message bekommen. Keine einzige!

  5. Letztendlich ist der Messenger Signal eine Kompromisslösung. Bedienung und Funktion orientieren sich am größten Mitbewerber bei Messengern.

    Um kostengünstig eine etwas datenschutzfreundlichere und werbefreie Alternative anbieten zu können bedient man sich´bestehender Plattformen und Dienstleister.

    Was nutzt ein ausschließlich auf Datenschutz optimierter Messenger Dienst mit dem aufgrund der ungewohnten Bedienung nur noch datenschutzorientierte Menschen kommunizieren?

    Ich würde dafür E-Mail mit PGP nutzen.

    1. Vorsicht! Diese Zahlen stammen von einem Blog, der zum Spenden motivieren soll. Das ist kein Financial Statement. Außerdem wird der aufmerksame Leser bemerken, dass dort von „estimate“ die Rede ist.

      Auf der Website der Signal Foundation fand ich keine Offenlegung der Finanzen, was mich doch sehr wundert. https://signalfoundation.org/

      Auf Wikipedia gibt es ein paar Zahlen, die aber alt sind und nicht vollständig.

      Alles in allem ist das doch ziemlich mysteriös und wenig vertrauenswürdig.

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